Heute Morgen ist mir wieder einer begegnet. Ein Theatermensch. So nenne ich für mich die Art von Mensch, die die ganze Zeit eine Rolle spielt. Heute war es einer von der "Gansta"-Sorte. Kippe im Mundwinkel, sportliches Outfit, zwei dicke glänzende Goldketten die über dem Pullunder getragen wurden und ein Gang, der vom massiven Vorwärtsschieben der Schultern geprägt war. Beim gehen ließ er die ganze Zeit den Blick schweifen um auch ja zu sehen ob er bemerkt wird. Natürlich schaute er demonstrativ weg sobald er bemerkte das wirklich jemand zu ihm rüberschaute. Seine Gesichtszüge waren in die ganze Zeit auf locker und lässig getrimmt (beinhaltet halt die Kippe im Mundwinkel, lässiges Kaugummikauen und einen abgeklärten und gleichzeitig "Ihr könnt mir alle eh nit das Wasser reichen"-Blick) und alle 20 Sekunden griff er in einer ausholenden Bewegung zu seiner Kippe, zog mit schräggelegtem Kopf daran, bließ den Rauch mit zurückgelegtem Kopf nach oben in die Luft und steckte sich dann die Kippe wieder in den Mundwinkel.
Theatermenschen gibt es viele. Es gibt Gansta, Banker, Intellektuelle, Tussis, Machos, Prolls, Yuppies und noch ein paar mehr. Auch Mischformen sind bekannt. Allen gemein ist, dass sie das Ganze nur spielen. Sie sind nicht wirklich Gansta, Banker, Intellektuelle usw. usw. Sie verhalten sich so wie sie es von ihrem Freundeskreis und ihrem Wohnumfeld gewohnt sind, aber nur so lange, wie sie "müssen", als eine Art von
Mimikri in einer Welt in der Rollen manchmal hilfreich sein können. Bei vielen von ihnen steht wahrscheinlich auch das Auffallen und Aufregen im Vordergrund. Bei einigen fällt es sofort auf, dass sie nur eine Rolle spielen, andere wiederrum gehen so in ihrer Rolle auf, dass man sie ihnen ohne weiteres für echt abnehmen würde.
Mein "Gansta" von heute Morgen war wirklich gut. Ich nahm ihm ohne weiteres seine Rolle ab, zumindest so lange, bis von der anderen Seite seine Frau/Freundin auftauchte. Im Business-Kostüm, mit Brille und hochgesteckten Haaren. Auf einmal war sein komplettes Gehabe verschwunden, die Goldketten wanderten unauffällig unter den Pullover, der Gesichtsausdruck zeigte auf einmal nichts weiter als ein nettes Lächeln und der Tüte die er überreicht bekam folgten die schlichten Worte: "Hier Schatz, dein Anzug für heute Abend."