Come to Marlboro Country

Morast hat seinen Werdegang als Nichtraucher in einem Artikel zusammen gefasst. Natürlich hat das sofort wieder eine Raucher/Nichtraucher-Diskussion ausgelöst.

Ich selbst bin Raucher. Ich bin schon mein ganzes Leben lang von Rauchern umgeben. Meine Eltern haben als ich klein war beide geraucht. Mein Dad kann schöne Rauchringe machen. Als kleiner Junge war ich davon fasziniert. Er pustete sie immer in die Luft, und ich versuchte dann meinen Finger durchzustecken ohne das der Ring kaputt geht dabei. Meine Mom roch immer nach den Mentholzigaretten die sie damals rauchte. Sie hatte sie in einem schwarzen Lederetui das an der Seite eine Schlaufe für ein Feuerzeug hatte. Ich kann mich auch noch dunkel an meinen Urgroßopa erinnern. Er lag damals immer bei meiner Oma im Schaukelstuhl und hatte seine Pfeife im Mundwinkel. Wenn man lange genug bettelte, ließ er einen an der Pfeife ziehen und man hatte auf einmal einen intensiven Geschmack nach Vanille und Tabak im Mund. Wenn ich dann hustete, lächelte er und winkte mit dem Zeigefinger.

Das erste mal probierte ich eine Zigarette als ich 8 oder 9 Jahre alt war. Mein damaliger "Freund" Michael hatte seinem Dad Zigaretten geklaut. Wir hockten uns auf einen Spielplatz und rauchten eine der Zigaretten. Pustebacke. Also ohne einzuatmen. Trotzdem wurde mir ziemlich schlecht, und es war das erste mal das ich sah wie jemand grün anlief.

Nach einem Umzug lernte ich neue Leute kennen. Damals war ich 12, und wir hatten einen Treffpunkt an einem kleinen Fluss, an dem die großen grünen Rohre für die Fernheizungen langliefen. Einige Leute aus der Clique waren schon etwas älter, und alle waren sie Raucher. Um dazu zu gehören war Rauchen fast Pflicht. Die erste Zigarette sorgte bei mir nicht für Husten. Das einzige was ich merkte, war ein leichtes Schwindelgefühl und das ich mich ziemlich leicht fühlte. Die anderen klopften mir anerkennend auf die Schulter, weil ich die erste Zigarette ohne zu Husten geraucht habe. Seit dem Rauche ich regelmäßig.

Nach ungefähr zwei Monaten war ich bei einer Schachtel am Tag. Es war in der Zeit der Wende, und überall tauchten die Vitnamesen auf und verkauften Zigaretten schwarz. Denen war es egal wie alt ich bin, Hauptsache sie konnten was verkaufen. Ich rauchte "Monte Carlo". Ein Tabak der irgendwo an nem Bahnhofsdamm mit Südlage gezogen wurde. Jedenfalls schmeckte es so. Aber wir waren alle unheimlich cool und so ging das mit dem Rauchen weiter.

Meine Eltern wollten nicht das ich Rauche. Als sie es das erste mal mitbekamen, durfte ich mir einen sehr langen Vortrag über Krankheiten, Tod und Gestank anhören. Sie verboten es mir. Natürlich hörte ich nicht auf dieses Verbot, die wenigsten Kinder tun das. Zu der Zeit war ich schon ein Suchtraucher. Selbst wenn die Zigaretten nicht schmeckten, ich wollte sie trotzdem. Das Schlimme war nichtmal die körperliche Abhängigkeit. Die Entzugserscheinen sind eher moderat und gleichen eher einem Schnupfen mit ein wenig Fieber (Hitzewallungen) als wirklichem Entzug. Ich konnte nicht aufhören, weil mir einige von den damaligen "Freunden" sonst die Freundschaft gekündigt hätten. Es gehörte einfach dazu zu rauchen. Wenn man sich traf, rauchte man. Party? Nicht ohne Zigaretten. Selbst auf dem Schulhof gehörte es zum guten Ton in der Raucherecke zu stehen.

Auch später, als ich die vielen falschen Freunde schon längst nicht mehr sah, blieb ich weiter Raucher. Die Zigarette hatte sich in mein Leben geschlichen und gehörte einfach dazu. Nach dem Essen gab es eine Zigarette, nach dem Aufstehen, vor dem Zubett gehen und zwischendrin immer wieder. Wenn ich irgendwo neu anfing, lernte man am ehesten Leute in der Raucherecke kennen. Man stellte sich zusammen hin, die Gespräche gingen mit dem Wetter los und endeten so manches mal bei ziemlich tiefgründigen Themen. Einige meiner besten Freunde habe ich durchs Rauchen kennengelernt. Einfach weil man zur selben Zeit dem selben "Laster" gefröhnt hat.

Es gab immer wieder Leute die mich dazu überreden wollten aufzuhören. Sei es in der Familie (eher selten) oder im Bekanntenkreis. Es gab Zeiten da hab ich über einen Monat keine Zigarette angefasst, nur um dann bei einer Party wieder zuzugreifen und genau da weiterzumachen wo ich aufgehört hatte. Ich habe es schon mit Nichtraucherkursen (Allan Carr ist Geldverschwendung!) probiert, mit der Kaugummimethode, mit reiner Willenskraft und mit noch einigen anderen Methoden. Irgendwann bin ich immer wieder bei den Zigaretten gelandet. Die letzten Versuche liegen erst kurz zurück und waren nicht von Erfolg gekrönt.

Mittlerweile habe ich akzeptiert das die Zigarette scheinbar zu mir gehört. Ich bin zu leicht da rein gerutscht, und komme nicht mehr raus. Aber meistens möchte ich das auch garnicht mehr. Ich kann mir kein Essen vorstellen, nach dem ich nicht eine Zigarette rauchen möchte. Keine Pause in der ich nicht in Ruhe eine Zigarette rauche und das Gefühl, wie sich der Puls beruhigt und der Atem langsamer wird, wenn man nach einem aufreibenden Erlebnis eine Zigarette raucht. Ich versuche Ausgleiche zu schaffen. Ich gehe regelmäßig ins Fitness-Studio und bewege mich so oft ich kann. Ich weiss das Rauchen ungesund ist. Ich weiss um die vielen Gefahren denen ich dadurch ausgesetzt bin, auch wenn ich mir immer wieder von Nichtrauchern anhören darf, dass ich das garnit wissen könnte weil ich ja sonst aufhören würde. Ihr unterschätzt Raucher. So gut wie jeder Raucher den ich kenne weiss sehr genau was er sich da antut. Manche tun es wie ich, weil sie süchtig sind, andere weil sie es wirklich geniessen.

Ich verstehe die Nichtraucher. Jeder Raucher der von Nichtrauchern Toleranz einfordert, sollte sich mal überlegen, ob er einem Stadtbekannten Schläger mit den Worten "Hey, klar kannst du mir eins in die Fresse haun weil du frustriert bist. Son gebrochner Kiefer heilt doch wieder, und wenns dir dann für 10 Minuten besser geht wars das doch wert." gegenüber tritt oder ob er diesen Schläger nicht doch lieber meidet. In diesem Fall sind nämlich die Raucher die Schläger. Die Raucher müssen diejenigen sein die Toleranz und Verantwortungsbewusstsein zeigen. Das was ich als Raucher mache, kann andere Menschen gefährden, krank machen und verletzen. Daher reagiere ich selbst dann höflich, wenn mich ein Nichtraucher anblafft ich soll gefälligst die scheiss Zigarette ausmachen. Ich kann ihn/sie verstehen. Ich würde als Nichtraucher zwar höflicher, aber genauso bestimmt fordern die Zigarette auszumachen, aus dem einfachen Grunde weil es jedem selbst überlassen werden muss ob er sich sowas antun möchte oder nicht. Und Passivrauchen ist wie Rauchen. Nur nicht unbedingt freiwillig. Genauso gehört es aber dazu, dass der Nichtraucher mit dem Qualm leben muss, wenn er sich mit voller Absicht in die nächste Eckkneipe begibt wo täglich das Treffen der "Fröhlichen Pfeifenraucher" stattfindet nur um demonstrative Hustenkrämpfe vorzutäuschen.

Ich weiss nicht genau ob die Zigarette mich beherrscht oder ich die Zigarette. Ich denke eher es ist mal so mal so, je nach Verfassung und Zustand meines Ichs. Ich geniesse das Rauchen oft, aber genauso oft verfluche ich es auch. Es ist eine Hassliebe die nur schwer zu beschreiben ist, und die ein Außenstehender nur schwer begreifen kann. Und vielleicht ist das auch besser so.
dreamhill - 10. Jul, 17:52

Ich habe dieses

Jahr ja auch versucht, mit dem Rauchen Schluss zu machen. Hier ist meine Leidensgeschichte...

Ich werde es aber im Spätsommer wieder versuchen. Die Raucherei ekelt mich echt richtig an.

Legatus - 11. Jul, 06:59

Versuchen werd ich es auch immer wieder...irgendwann klappt es sicher auch dauerhaft...abwarten und Tee trinken ^^
caliente_in_berlin - 10. Jul, 23:30

Ich bin Nichtraucher...hatte es allerdings leicht, weil meine Eltern nie geraucht haben...
Aber mal ganz abgesehen von der Gesundheit...wenn ich mir vorstelle wieviel Geld Du in Zigaretten investiert...ist es das wirklich wert??!

Legatus - 11. Jul, 07:01

Hält der Preis von Heroin nen Junky vom Fixen ab?
caliente_in_berlin - 11. Jul, 09:43

Bist Du echt der Meinung, dass das man das vergleichen kann? Ist die körperliche Abhängigkeit bei Heroin nicht viel höher?
Legatus - 11. Jul, 09:56

Laut Studien ist die psychische Abhängigkeit sogar noch stärker als bei Heroin...da viele soziale Komponenten mit reinspielen...die körperliche Abhängigkeit ist ein vielfaches geringer... Darum sagt man auch "Einmal Raucher, immer Raucher". Es gibt Fälle da haben Ex-Raucher nach 10 Jahren wieder angefangen weil auf einmal zu viel sozialer und psychischer Stress vorhanden war....und ich kenne Ex-Raucher die seit 7 Jahren nicht mehr rauchen und ab und an immer noch starke Entzugserscheinungen auf psychischer Ebene haben...
caliente_in_berlin - 11. Jul, 11:39

Das war wir mir klar, der psychische Faktor ist bei jeder Sucht so.
Deshalb sprach die körperliche Abhängigkeit an... ;-)
Legatus - 11. Jul, 12:10

Naja, ich denke aber das es eher auf die psychische Abhängigkeit ankommt...Schmerzen und Hitzeschübe usw. kann man auch ignorieren/ausblenden...aber wie blendet man etwas aus das genau da stattfindet womit man es ausblenden müsste?
caliente_in_berlin - 11. Jul, 12:19

Es hat irgendwie 2 Seiten. Natürlich ist psychische Abhängigkeit weitaus gravierender als nur" körperliche. Andererseits denke ich, dass es einfacher sein müsste "vernünftig" zu werden, wenn man sich nicht mit tiefgreifenen körperlichen Entzugserscheinungen plagen muss.
Wie dem auch sei...es ist ein heikles Thema und fast jeder Mensch hat irgendeine "Sucht", an die er sich klammert...
Legatus - 11. Jul, 12:28

Also ich bin bisher immer an den psychischen Aspekten gescheitert. Das körperliche ist nicht viel mehr als nen Schnupfen. Lässt sich aushalten und ignorieren...wenn du jedoch fast dein ganzes bewusstes Leben lang nach dem Essen eine rauchst, dann fehlt es dir automatisch. Und erst recht, wenn dann noch Menschen am Tisch sitzen mit denen man sich nett unterhält und die alle dabei eine Zigarette in der Hand haben. Bei mir ging das teilweise bis hin zu (eingebildeter?) Atemnot und Schweißausbrüchen...
unkreativ.net - 10. Jul, 23:41

Du machst es Dir zu leicht. Du redest Dich raus, Du entschuldigst Dich mit anderen, Du versteckst Dich hinter allgeminplätzchen.

Wenn ich Dir einen Rat geben darf: akzeptiere nicht, dass Du rauchst sondern hör damit auf.

Legatus - 11. Jul, 07:01

Ja, das tue ich wohl....Verstecken konnt ich mich schon immer gut...

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Trackbacks zu diesem Beitrag

unkreativ.twoday.net - 10. Jul, 23:41

Rauchen? Ne, besser nicht.

Ich hab's mal versucht. Wissen nicht... [weiter]
mirtana.twoday.net - 13. Jul, 00:01

Raucher Bashing

Anl [weiter]

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Legatus - 27. Okt, 11:54
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Bei uns ist auch alles gut. Unser Kleiner krabbelt...
Burningheart - 16. Aug, 17:57
Alles bestens :) Gut...
Alles bestens :) Gut beschäftigt aber die Kleine wächste...
Legatus - 2. Jul, 11:16

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