Und wieder...

ein Amoklauf. Warum nur hab ich das Gefühl, dass dies bei weitem erst der Anfang ist, weil einfach immer mehr Menschen (und vor allem junge Menschen) einfach keine Perspektiven mehr im Leben sehen. Ich hab schon mit solchen Menschen gesprochen. Gebrochen und ohne Aussicht auf Veränderung stehen sie da und wissen nichts mit sich und der Welt anzufangen. Sie haben resigniert oder sind wütend und können weder vor noch zurück. Wenn sie in die Zukunft sehen ist dort nichts weiter als ein schwarzes Loch das von Tag zu Tag größer wird und das sie lähmt. Sie sehen das Fernsehbild das ihnen jederzeit Geschichten aus den Glitzerwelten der Reichen und Schönen zeigt, nur um danach ein Blick auf ihr eigenes Leben zu werfen und zu wissen was sie niemals erreichen können. Viele flüchten sich in die Subkulturen die ihnen eine gewisse Stabilität und Sicherheit bieten. Sie ziehe sich schwarze Sachen an, nennen sich selbst Emo oder Goth und pflegen den Weltschmerz.

Viele von ihnen versuchen Menschen zu helfen denen es noch schlechter geht als ihnen. Sie helfen still und leise in Kliniken, Altersheimen und Waisenhäusern. Sie leiten Jugendprojekte und liefern Essen an alte Menschen. Aber auf Dauer zeigt ihnen auch solche Arbeit nur, wie die Welt sich immer mehr verschlechtert. Desillusioniert von kalten Altenpflegern und Krankenschwestern, Sozialarbeitern die die Jugendlichen die sie betreuuen sollen ausnutzen oder hassen und von Ärzten die Patienten nur als "Fälle" sehen hören viele nach kurzer Zeit auf Sozialarbeit zu leisten, einfach weil die Emotionalität die diese Menschen mitbringen in der heutigen Zeit nur noch ein Störfaktor, und somit nicht erwünscht, ist. Manche halten länger durch, andere zerbrechen daran und suchen ihren Frieden im Freitod (Ruhe in Frieden Simone).

Es kommt zu jeder Art von Flucht. Sei es Wut, sein es Drogen oder einfach nur Musik. Feiern bis der Arzt kommt, und wenn er nicht kommt um so besser. Diejenigen mit der Wut im Bauch sind die, die keine Lust mehr haben in der Konsummaschinerie weiter mitzuspielen und sich weiterhin den Medien auszuliefern. Meist haben sie das was man heute ein "gutes Elternhaus" nennt. Nur muss das nicht unbedingt gute Eltern beinhalten. Unverstanden, weil nie jemand verstehen wollte, greifen sie zu dem Mittel das ihnen maximale Aufmerksamkeit sichert und dafür sorgt, dass zumindest einmal in ihrem oft kurzen Leben jemand zuhört und bemerkt das es dort einen Mensch gab der etwas sagen wollte. Oft genug hatte er es probiert ohne messbare Reaktionen hervorzurufen oder schlimmer noch, um ausgelacht zu werden. Wenn der Knoten im Bauch dann groß und kalt genug ist, wenn die Zukunft ein großer schwarzer Fleck ist und wenn die Hoffnung auf Veränderung entgültig dahin ist, dann kommt der Entschluss das es genug ist. Und wenn man schon abtritt dann doch mit einem Knall. Viele haben es vorgemacht. Noch mehr werden es nachmachen. Und wenn dann alles geplant und durchdacht ist, wenn die letzte Liste geschrieben und der Ort gewählt, ja dann hören einige wenige zu, die vielleicht etwas früher hätte zuhören sollen. Die Medien haben ein neues Fressen gefunden, die Politiker können sich wieder in Beileidsbekundungen retten und im wegsehen, wegreden und schuldzuweisen üben, und die Eltern haben endlich wieder einen Grund über ihr Kind nachzudenken und über all das was sie falsch gemacht haben. Die Menschen aus seinem flüchtigen Bekanntenkreis sagen dann Sätze wie "Er war schon immer sehr zurückgezogen und seltsam". Alle anderen haben wieder ein Gesprächsthema für ein oder zwei Wochen bis Britney Spears das nächste mal ihre Weichteile in eine Kamera hält.

Die wirlich Leidtragenden, also die Opfer, ihre Angehörigen und die Eltern des Täters, können und werden nie verstehen was diesen Menschen dazu getrieben hat ihnen das Leben auf diese Art und Weise zu zerstören, denn sie haben damals nicht zugehört. Und nun ist es zu spät.
paraflyer - 17. Apr, 12:23

Man muss sich nur fragen: Ist dies eine Erscheinung der Gegenwart oder gab es vergleichbares schon in den letzten Jahrzehnten? Ich bin leider nicht so involviert in diesem Thema - kann es also nicht klar beantworten.

Legatus - 17. Apr, 13:07

Amokläufe gab es auch schon früher...da aber meistens in Firmen etc. Heute wirds durch die Medien nur weiter und vor allem schneller bekannt und Menschen die eh nichts mehr zu verlieren haben nehmen sich dann diese von den Medien stilisierten Anti-Helden zum Vorbild.
Xchen - 17. Apr, 13:42

Habs gestern im Netz gesehen und nur gedacht:
Macht weiter, noch viele sollen flippen - sonst beginnt das Umdenken überhaupt nie.

Traurig, dass alle nur die falschen Gründe in den Vordergrund schieben (habe mich mit dem aktuellen Fall aber nicht näher befasst, ich ertrags grad ganz schlecht).

Man kann ja stumm oder laut nach Hilfe schreien - helfen tut einem trotzdem keiner - wie oft hab ich nur gehört, das ist halt Pubertät *blabla*
Hätten sie sich nur mal die Mühe gemacht, genauer zu schauen - die Persönlichkeitsstörung hätte schon in meinen Teenagerjahren erkannt und behandelt werden können - doch es ist ja nie einer für irgendwas zuständig.

Es war damals so und es ist heute noch viel schlimmer.

Es sind sowieso nur die Videospiele, die Filme und was weiss ich noch alles - und wo sind die Eltern, die das alles kontrollieren sollten? Wo sind sie, wenn sie Vorbilder sein sollten, Richtlinien und Werte vermitteln sollten???
WO???
Entweder sind sie working poor und können sich nicht richtig um die Kids kümmern oder sie kriegen den Hals nicht voll und arbeiten Tag und Nacht für materiellen Scheiss/Status Quo *blabla*

Wirklich, die Menschheit hat es weit gebracht.

Und es sind ja nicht nur Teenager, es sind auch Familienväter, die plötzlich den Job verlieren oder den Anforderungen (die sie sich von der Gesellschaft haben auferlegen lassen - kann überhaupt niemand mehr selber denken?) nicht mehr gewachsen sind.

Legatus - 18. Apr, 12:46

Ja...mittlerweile ist es eine schlechte Angewohnheit der Jugend nicht mehr zuzuhören sondern einfach alles mehr oder weniger als "Unsinn" und "Pubertät" abzutun...leider...
Garion - 18. Apr, 10:07

Kein Amoklauf entsteht plötzlich, es gibt immer eine lange Vorgeschichte- um die sich nach der Tat niemand WIRKLICH kümmert, genauso wie die Menschen vor der Tat weg- oder nicht richtig hinsehen.
Wir entlassen unsere Menschen vollkommen orientierungslos aus der Schule- im besten Fall. Im schlimmsten Fall ist ihnen schon dann klar, dass sie keine Chance haben werden.
Suggeriert wird aber: alles geht. Sofern Du korrekt funktionierst in unserer modernen Sklaverei wo mit den Schlagworten "Terror" und "Arbeitsplätze" die Carte Blanche für alles zu bekommen ist. Wer einmal raus ist, kommt nicht mehr rein, so siehts aus. Du musst es alleine schaffen, es gibt keine Helfer, nur Konkurrenten. Und wenn Dus nicht schaffst, bist Du selbst Schuld, das haben wir von dem Amerikanern gelernt, uns ihren Calvinismus abgeschaut.
Alles geht, aber nirgends geht's hin, dass ist das Problem vieler Jugendlicher. Es gibt immer weniger Sicherheit obwohl unglaublich mehr gefordert wird. Die geliebte Familie aufgeben weil man ständig mobil sein muss, z.B..
Es gibt immer weniger Eltern, die im Sturm des Arbeitsmarkts, der medialen Flut, dem Hedonismus des Konsums und der grauen, diffus bedrohlichen Zukunft am Horizont noch ein Fels in der Brandung sind oder sein können, eingespannt in ihr eigenes Hamsterrad.
Ich selbst habe mich vom sozialen Bereich abgewandt, weil ich es einfach nicht ertragen konnte. Den berufsbegleitenden Zynismus, der aus der Ausbeutung altruistischer Menschen resultiert, deren Arbeit als minderwertig gilt weil sie tun womit sich sonst niemand beschäftigen will und trotzdem mehr an die Substanz geht als die meisten anderen Jobs. Wenn die Werte in unserer Gesellschaft stimmten, würden diese Menschen die höchste Anerkennung genießen. Stattdessen bekommt sie der BWL'er, der in seinem ersten Beschäftigungsjahr zig Mitarbeiter entlässt um das Unternehmen "konkurrenzfähig zu halten und den Standort sichern", in Wirklichkeit aber nur die Rendite der Aktionäre im Auge hat. Trotzdem nicht zu verzweifeln und weiter gegen den Strom zu schwimmen, seine eigene Front zu suchen und dort zu kämpfen ist verdammt schwer.

Legatus - 18. Apr, 12:50

Die Schule ist mittlerweile eh kein Ort mehr wo Werte gelernt werden...es sind nur noch reine Wissensvermittlungsinstitute, die sich aber schwer damit tun Wissen so zu vermitteln das sich auch ein Großteil der Schüler dafür interessiert...

Und die Art und Weise wie das Pflege- und Gesundheitssystem emotional den Bach runtergeht ist schon fast einen eigenen Eintrag wert...es gibt viele aufopferungsvolle Menschen dort die Versuchen anderen Menschen zu helfen. Nur leider sind sie immer noch massiv in der Minderheit gegenüber denjenigen die dort "Einfach nur ihren Job" machen.
Xchen - 18. Apr, 19:18

Bravo Garion!!!

Und noch was:
Ich möchte auch nicht Lehrer sein, bei den unerzogenen Kindern und wenn du was sagst, bist du ja eh der Arsch und wenn du Pech hast, kommt der Balkan-Vater und sticht dich ab.
Wanjas Welt - 18. Apr, 10:12

"Er lauerte Mädchen auf und verfasste brutale Geschichten", kommt gerade im Radio, jupp man sollte alle die sowas machen unter den Generalverdacht stellen.

Wie die Vorredner schon geschrieben haben wir (die Gesellschaft) machen uns unsere Amokläufer selber, auch wenn die hohen Herren und Damen der Regierungen das gerne von der Hand weisen wollen. Wie gut das es sich bei dem letzten Fall nicht um einen weißen Ami gehandelt hat, also kann das Problem ja nicht im Staat liegen sondern an diesem durchgeknallten "Ausländer" . < / ironie off

Bezeichnend für Deutschland ist es, das sich die Medien darauf stürzen als gebe es nichts wichtigeres, schonmal gar nicht in Deutschland. Ja es ist dramatisch, wenn irgendwo auf der Welt jemand unnatürlich stirbt, noch dramatischer ist es wenn viele aufeinmal sterben, aber ganz ehrlich jeder Tote ist gleich schlimm. Dieses Betroffenengeschwafel mit Beileid gegenüber den Angehörigen, wo man jemanden nicht kannte, ist in meine Augen heuchlerisch, denn man kann nicht mitleiden, betroffen kann man sein, sprachlos, aber Beileid geben?

Die nächsten Tage hat man in diversen Sendern nun noch einen Programmpunkt Nr. 1, kann schön von den eigentlichen Problemen der Gesellschaft in Deutschland ablenken und dann gibt es bestimmt wieder was neues "Schlimmes, das die Welt bewegt."

Legatus - 18. Apr, 12:52

Die Medien sind mittlerweile keine Institution mehr die darauf abzielt zu informieren. Mittlerweile geht es auch bei den Nachrichten nur noch um Opfer, Tote, Täter und Einschaltquoten...Wer hat mehr von allem und am besten Live und in Farbe. Ein Grund mehr für mich den Fernseher auszulassen.
creature - 19. Apr, 11:46

du hast das sehr gut dargestellt, legatus!
diese kluft zwischen realen leben und die bilder der medien, vor allem fernsehen erzeugt sicher einen frustration, vor allem bei jungen menschen.
das leben wird gesehen wie DSDS oder diese supermodelsendung, es kann nur einer gewinnen, und was ist mit den anderen?
gehts immer nur ums gewinnen?
so gesehen wäre das leben ein einziger kampf und der sinn ist es zu gewinnen, der verlierer kann sich die kugel geben.
hier im österreichischen fernsehen lief gestern eine diskussion über ein bettlerverbot, das meint, in einkaufsstrassen darf nicht mehr gebettelt werden und dazu gab es diese bemerkungen:
diese bettler, die verderben einen die LUST am einkaufen.
diese bettler gehören weg, was werden sich den da die touristen über unser land denken.
anwesend war auch der leiter der caritas, ein sehr schöner, kluger menschlicher mann der diese menschen und ihre geschichte kennt, leider wird genau dieser von teilen der bevölkerung massiv angegriffen, leider, gerade menschen die große soziale verantwortung übernehmen werden zum buhmann.

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