Alltagstrott

Und heute dann mal wieder die große Dienstberatung wie jeden ersten Freitag im Monat. Irgendwann ist man so sehr im Trott gefangen, dass man nichtmal mehr erkennt das es Alltagstrott ist. Böse ausgedrückt könnte man sagen "Fressen, Schlafen, Arbeiten, Fressen, Schlafen, Arbeiten...." manchmal nen "Ficken" und dann wieder Fressen, Schlafen usw. usw. usw. bis man eines Tages seinen letzten Atemzug gemacht hat und froh sein kann wenn dann noch jemand da ist der kurz um einen weint.

Da gibts dann die Momente wo man sich fragt was der ganze Scheiss soll und am liebsten seinen Rucksack packen würde und loslaufen. Irgendwo hin, die Welt sehen und nicht an Morgen denken müssen. Diese Momente sind aber schnell wieder vorbei und was übrig bleibt ist diese kleine bohrende Sehnsucht tief drinnen auf was neues und aufregendes das den Alltag versüßen möge. Falls man dann mal Urlaub bekommt versucht man diese Sehnsucht möglichst effektiv zu befriedigen, nur um 2 Tage nach dem Urlaub direkt wieder im Alltagstrott zu stecken. Klar, dieser Trott gibt auf eine Art auch Sicherheit. Geld- und Zukunftsmäßig. Viel Überraschungen gibts da nämlich nit. Aber er stumpft uns auch ab. Er erstickt Ideen und Träume und sorgt dafür, dass man Abends zu müde ist um noch groß über seine Situation nachzudenken. Man schaut nur neidisch auf den Nachbarn der scheinbar einen besseren Job hat als man selbst, mehr verdient und den größeren Wagen fährt, ohne zu realisieren das der Nachbar genau den selben Trott hat wie man selbst. Warum sonst trifft man ihn wohl jeden Morgen zur gleichen Uhrzeit (eigentlich sollte es Unzeit heissen) vor dem Fahrstuhl?

Manche versumpfen dann vor dem Fernseher, zu abgestumpft um zu merken das sie diese Welt die ihnen im TV vorgegaukelt wird nie betreten werden. Sie träumen dann davon auch mal in den Sphären der Reichen und Schönen zu wandeln und ihr höchstes Lebensziel ist es für 10 Minuten auf dem roten Teppich zu stehen weil sie bei Deutschland sucht den Superstar oder bei Germanys next Topmodell den ersten Platz gemacht haben. Sie werfen sich mit Freude und einem Jauchzen den Medien in den Rachen, nur um ein oder zwei Wochen später von ihnen wieder ausgespuckt zu werden, ausgepresst wie eine Zitrone.

Niemand ist davor gefeit, in diesen Trott abzurutschen. Weder Intellekt noch Dummheiten halten Menschen davon ab sich ihre kleine private Wiederholungsschleife zu basteln. Sei es der Professor der jeden Tag in die Uni geht und seinen Schülern dort Tag für Tag das Selbe erzählt, oder sei es der Maurer, für den die größte Abwechslung ist, wenn sie auf eine neue Baustelle fahren. Der einzige Unterschied zwischen diesen beiden besteht wohl darin, welches alkoholische Getränk sie zum Feierabend zu sich nehmen und welchen Fernsehkanal sie dabei angeschaltet haben.

Auch ich hab meine Wiederholungsschleife. Ich kämpfe gegen mein Papiermonster, mach hier und da andere Aufgaben und bin froh wenn der Feierabend da ist und ich nach Hause kann. Dort sitze ich dann, schau über die Blogs oder spiele ein wenig am PC. Dann heisst es schlafen und am nächsten Tag gehts von vorne los. Klar sind auch unter der Woche mal kleine Ausreisser drin. Wenn man mal einen Freund in seiner eigenen Wiederholungsschleife besuchen geht, oder wenn man mal ins Kino verschwindet. Aber viel Abwechslung gibts da nicht. Und selbst die Leute, die von sich behaupten sie hätten ein abwechslungsreiches Leben, weil sie jeden Tag in die Disco oder in irgend einen Club gehen merken garnit, dass das genauso Wiederholungsschleifen sind wie jede andere auch. Nur die Orte unterscheiden sich ein wenig.

Ich hab bisher wenige Menschen kennengelernt die ihr Leben wirklich Abwechslungsreich gestalten. Sie sind jeden Tag woanders, machen dort die unterschiedlichsten Aufgaben und kein Abend gleicht dem anderen. Und das perverse ist, sie träumen davon das sie viel lieber wie "normale" Menschen in einer Wiederholungsschleife stecken würden, anstatt zu sehen das gerade der Umstand das sie das nit tun sie zu etwas besonderem macht. Klar, sie habens nit immer einfach und wirklich Zukunftssicher ist das auch nicht, aber sie erleben etwas in ihrem Leben. Sie sprühen noch über vor Ideen und sie haben Einblicke die ein normaler Mensch eher selten bekommt.

Früher hab ich meine Wiederholungsschleife so fest gesteckt, dass ich sogar für mich selber sagte, ich werde Berlin nie verlassen. Ich liebe diese Stadt, aber mittlerweile würde ich auch hier weggehen, und sei es nur für eine Weile, um mal etwas neues zu sehen. Im Moment bin ich an einem Punkt, wo ich meine Schleife analysieren kann um einen Angriffspunkt zu finden wie ich sie aufbrechen kann. Das das vielleicht schwer wird und viel Kraft kostet ist mir klar. Auch das dann mein Leben vielleicht nicht mehr so sicher ist wie bisher leuchtet mir ein. Aber im Moment ist mir mein graue Alltagstrott so sehr ein Dorn im Auge, dass ich mich entschlossen hab etwas zu ändern. Schritt für Schritt, langsam und stetig, aber mit dem Ziel irgendwann diese Schleife hinter mir zu lassen und etwas neues zu sehen. Mal schaun was da kommt. Ich bin gespannt.
mammarazzi - 7. Sep, 08:38

ich bin dann mal weg...

das kenne ich, dieses einfach mal loslaufen wollen! vor allem, seitdem ich das buch gelesen habe... ich bin in der glücklichen lage, jeden tag was anderes machen zu können, aber einfach loslaufen??? und dann noch als frau??? jakobswege gibt es auch von berlin aus, zum beispiel nach bad wilsnack...aber alle wollen nur nach spanien!!!

Legatus - 7. Sep, 11:05

Naja, bei mir wäre das loslaufen wirklich nur ein drauf loslaufen...keine bestimmten Wege, sondern einfach schaun wo mich der Tag hinbringt...
Frau Rabe - 7. Sep, 08:47

uff!

Verdammt - Du hast Recht... diese Wiederholungsschleife ist die scheiß Realität. Und genau diese kotzt mich auch an; mir wird grad durch Deine Zeilen klar, dass es zum sehr großen Teil auch ein Grund ist, warum ich mein Leben demnächst komplett umkrempel und mich in die Unsicherheit stürze.

Und früher, als ich 20 - 25 Jahre alt war, hatte mich der Fernseher auch voll im Griff. Eine Flucht in nicht existente Welten. Bis ich mich betrogen fühlte von den Serien und der Werbung und den Wiederholungen und den Sendezeiten. Ich guckte nur noch selten, und beim Hausbau vor 3 Jahren schaftte ich mir gar nicht erst TV-Anschluss an.

Du sprichst von sicherem Leben, das der Alltagstrott bietet. Ich finde nicht, dass das wirklich Sicherheit ist. Du kannst jederzeit entlassen werden (aus welchen Gründen auch immer), Du kannst jederzeit schwer krank werden und alles verlieren, usw. Du befindest Dich lediglich in der bequemen Obhut eines anderen (Firma/Chef), der für Dich "sorgt" und auf den Du die Verantwortung schieben kannst, wenn der Job flöten geht (Konkurs etc).


Ja, ändere Dein Leben. Wir können zum Mond fliegen, Sonden zum Mars senden, Atome spalten und Gene verändern - aber wir wissen immer noch nicht, ob wir nur einmal leben oder ob unsere Seele im nächsten Körper weiterlebt. Daher ist mein Motto: Da ich vielleicht nur einmal lebe, werde ich es voll ausschöpfen.



Hm...

Legatus - 7. Sep, 11:05

Jupp...Fernsehn ist der moderne Fluch des Jahrhunderts...Massenverblödung en mass....

Der Alltagstrott bietet schon ein sicheres, oder zumindest abschätzbares Leben...auch wenns natürlich nicht zu 100% sicher ist...

Werde ich...wenn auch langsam...Veränderungen brauchen Zeit...manchmal zumindest :)
the white lake knight - 7. Sep, 09:48

Allzu verständlich,

fünf Tage in der Woche der gleiche Trott und Du hast die Nase voll davon. Festgezurrt in den Sielen der Normalität. Du bist noch jung, nicht durch Famlie und Kinder gebunden. Die vorgebliche Sicherheit Deines Jobs ist keine. Folge Deinen Gefühlen und verändere Dich.
Tust Du es nicht jetzt, dann wird die Trägheit Dich immer mehr einschnüren, Deine Flexibilität
wird schwinden und immer wieder wird dann dieser Beitrag hier auftauchen, nur mit verändertem Datum. Brich mit der "Normalität", denn Du hast nur dieses eine Leben geschenkt bekommen, zerbrich die Starre, er lohnt sich. Und wenn die "wilden" Tage vorbei sind, wirst Du auch wieder normale Zeitschleifen genießen können.
Ich habe in meinen Beobachtungen feststellen können, wie sehr Menschen später darunter leiden, keine oder nur wenig prägende Erlebnisse in ihrem vergangenen Leben gemacht zu haben. Ja und wenn Du gehen willst wegen Dir, so denke daran, egal wohin Du gehst, Du nimmst Dich immer mit.
@ mammarazzi: Ein Freund von mir ist gerade aus Spanien vom Jakobsweg zurück. Es ist vielleicht die Atmosphäre und die anderen Wanderer, die wohl den Unterschied machen.

Legatus - 7. Sep, 11:06

Jupp...irgendwann ist es zu spät zum "ausbrechen"...darum wirds langsam Zeit denk ich...
mammarazzi - 7. Sep, 11:11

ach neee...

...zu spät ist es nie!

Legatus - 7. Sep, 14:21

Für manche schon...
Wanja (Gast) - 7. Sep, 11:14

Wie gut ich Dich verstehen kann, aber ich glaube aus allen Schleifen kommt man nicht raus, es ist nunmal so das man am nächsten Tag etwas zu essen braucht und ich für mich möchte nicht auf all den Komfort (warme Dusche, trockenes Bett und das dazugehörige Dach über dem Kopf) verzichten. Aber auch mich zieht es immer mehr weg von all dem hier, schön ist es, das ich an meiner Seite jemanden habe der mit mir gehen will und die derzeitige Innenpolitik arbeitet immer mehr daran das wir unsere Sachen packen und losziehen.

Schönes WE

Legatus - 7. Sep, 14:21

Das ist immer eine Gratwanderung...ja...ich will halt gerne raus aus den Schleifen...aber auf zu viel Komfort auch nit unbedingt verzichten...von daher geh ich es halt langsam an und schau wie ich das hinbekomme ^^
pueppi (Gast) - 7. Sep, 14:16

nun komplexes thema .. aber ich finde, man kann sich seinen trott auch schöner machen und jeden tag etwas finden womit man rauskommt .. es sei was leckeres zu essen machen, was es sonst nicht gibt, sich irgendwie zu belohnen, einen spaziergang machen, leute treffen oder anrufen von denen man lang nichts gehört hat .. oder aber auch einen völlig neuen weg einschlagen .. mit neuen perpektiven und möglichkeiten ..
ich wünsch dir viel kraft

Legatus - 7. Sep, 14:22

Ja, dass kann man...aber auf Dauer gesehen wiederholen sich auch die kleinen Ausreißer aus dem Trott immer öfter...weil irgendwann gehen jedem die Ideen für die kleinen Überraschungen aus...wenns auch ne Weile dauern mag...
Ansuzz - 7. Sep, 17:36

Und täglich Grüßt das Murmeltier

Oh ja, wie Recht du hast. Ich versuche schon seit einigen Jahren, jeden Tag ein wenig anders zu gestalten, um eben diesem Murmeltier-Syndrom zu entkommen. Z.B. selbst unterhalb der Woche ab und an zu unterschiedlichen Zeiten aufzustehen, mitten im Film den TV abzustellen, spontan irgendwo hinzufahren, etwas anderes zu frühstücken etc.. Das bekommt mir gut und hilft mir, den Blick für die schönen Dinge nicht zu verlieren und meine Wahrnehmung zu schärfen. Das Leben ist einfach zu kurz, um darin schon tot zu sein.

Legatus - 7. Sep, 23:57

Ich beneide immer die, die ihren eigenen kleinen "Ausweg" aus dem Alltagstrott finden...in diesem Fall dich ;)
Xchen - 7. Sep, 19:19

Ich bevorzuge diesen Alltagstrott - da ich ihn dringend brauche, damit ich funktioniern kann und stabil bleibe - ich habe jedoch gelernt, mir Auszeiten zu verschaffen - und ab und zu kann ich auch spontan sein - lieber jedoch nicht.

Ich habe jedoch auch Null Problem damit, quasi vor dem TV zu verrotten *G*

Ein schönes Wochenende

Legatus - 7. Sep, 23:58

Wenn du damit leben kannst/willst ist das ja auch völlig ok...ich kann es zur Zeit nit :)
Xchen - 8. Sep, 00:01

Ich musste auch erst auf die harte Tour lernen, dass ich das Rat Race tierisch verabscheue und ich gehe um keinen Preis der Welt zurück - noch nicht mal, wenn das bedeuten würde, dass meine Krankheit weg wäre.
SabineD - 7. Sep, 20:28

Jeden Tag gibt es eine neue Chance - und für die, die wirklich was ändern wollen, ist das vollkommen klar ;)

Ja, lapidar gesagt, ich hänge auch seit Jahren hier fest und versuche mich zu etablieren, aber wenn ich wirklich wollte, könnte ich auch. Nur - das Wollen muss da sein. Können geht immer - irgendwie gehts ;)

Legatus - 7. Sep, 23:58

Wollen und können...die zwei bösen Wörter ;)

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