Montag, 25. September 2006

Free Hugs

Lesebefehl für den Beitrag hier bei Frau Nachtschwester. Los! Lesen und Video anschaun!

Arm?

Vor einiger Zeit habe ich diesen Artikel hier gelesen. Es geht dort nicht etwa um Kinderarmut in Afrika oder China oder sonstwo, sondern hier, vor unseren Türen. Kinderarmut in Deutschland ist für viele immer noch kein Thema. Oft heisst es ja "uns geht es noch viel zu gut", was in vielen Teilen auch zutrifft, aber schon längst nicht mehr für alle. Ich lebe seit ich ca. 4 Jahre alt bin in den Randbezirken Berlins. Und mit Randbezirken meine ich Hellersdorf und Marzahn.

Die offensichtlichste Armut die man in einer Stadt wie Berlin sehen kann sind die Bettler und Obdachlosen, mit ihren Bier- und Schnapsflaschen in der Hand die es sich an einschlägigen Bahnhöfen "bequem" machen und den vorbeiziehenden Passanten ihre typische "Haste mal nen Euro oder nen bissl Kleingeld für mir"-Phrase entgegensprechen. Meist über- und manchmal auch erhört. Wir neigen dazu wegzusehen und nur wenn uns das Gewissen mal wirklich plagt, wirft man schnell eine Münze oder zwei, je nachdem was sich gerade zufällig in der Hosentasche befindet, in den dargebotenen Plastikbecher oder in die Mütze. Alternativ dazu kommen natürlich auch von einigen Passanten die erstklassigen und sehr hilfreichen Ratschläge wie "Such dir nen Job du Penner".

Die weniger offensichtliche Armut ist aber in meinen Augen die schlimmere. Es ist die Armut die in den Wohnstuben stattfindet. In Treppenhäusern und in Kellern. Die tief ins Leben schneidet und sich dabei hinter einer Fassade aus Lügen und Kleinbürgertum versteckt. Nach außen hin wird eine heile Welt vorgegaukelt. Hinter dieses Fassade bröckelt es an allen Ecken und Kanten. Die Sozialhilfe reicht nicht für das Minimum an Leben, oder sie wird von Vätern/Müttern auf den Kopf gehaun für Alkohol und Drogen.

Die Kinder, also die Kleinsten und Schwächsten in diesem "Spiel des Lebens", sind dabei die Leidtragenden. Nicht nur das sie die Zankereien in der Schule (sofern sie dort überhaupt hingehen) ertragen müssen weil sie nicht jeden Tag duschen und die Klamotten aus der Kleidersammlung sind, nein, meist bekommen sie auch den Tag über nichts zu essen, da sich die Eltern die Schulspeisung nicht leisten können oder wollen, und von Zuhause auch nichts mitgegeben wird. Von Gewalt und Missbrauch durch gefrustete Eltern ganz zu schweigen. Wenn ich dann in "meinem" Plus (Discounter) einen kleinen Jungen sehe, mit zerrissenen Klamotten, einem Zweieuro-Stück in der Hand wie er ein Toastbrot, eine Packung Salami und einen Tetrapack "Wein" auf das Fließband legt und der Kassiererin einen Zettel in die Hand drückt auf dem wohl die Erlaubnis der Mutter/des Vaters steht das er den Wein holen soll, dann weiss ich was dieser Junge zum Abendbrot essen wird, und wo die Mutter/der Vater liegen werden. Auch die Kassiererin wusste es scheinbar. Sie griff unter ihre Theke und drückte dem kleinen einen Schokoriegel in die Hand. Nur ob sie sich danach besser fühlte wage ich zu bezweifeln.

Es gibt diese Menschen in allen Bezirken dieser Stadt, und auch im Umland gibt es viele davon. Auch hier neigen die "besser gestellten" Menschen dazu nicht zu hinterfragen sondern lieber wegzusehen, oder schlimmer noch, zu lästern. Wer kennt nicht Aussagen wie "Schau dir mal an wie abgeranzt die ausschaut. Die soll sich mal neue Klamotten kaufen. Und ihre Kinder erst. Ne richtige Rabenmutter." Das diese "Rabenmutter" eventuell trotz Sozialhilfe einfach kein Geld und keine Mittel hat ihre Kinder und sich selbst besser zu versorgen wird dabei geflissentlich übergangen. Dieses "Niedermachen" von schlechter Gestellten ist so tief in unserer heutigen Gesellschaft verwurzelt, dass sogar ich mich bei solchen Gedankengängen erwischte, bis mir dann auf einmal auffiel was ich da tue. Das Niedermachen von Menschen die eh schon ganz unten sind, nur um mich dadurch aufzuwerten. Tiefer kann man moralisch eigentlich schon fast garnit mehr sinken.

Und dann gibt es noch die sogenannte "Fast"-Armut. Den Spruch "Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel" kennt wohl jeder. Und es gibt viele die nach diesem Spruch leben. Jedes Schnäppchen muss mitgenommen werden, jeder Euro wird zweimal rumgedreht und nach jedem Zahltag wird überlegt, welche Rechnung man bezahlt und welche man in den nächten Monat mit rüberschiebt um Geld fürs Essen zu haben. Wenn man mal schlemmen will geht man sich eine Packung Eis im Supermarkt kaufen (die für 99 Cent, weil das ja eh besser schmeckt als das teure im Eiscafe) und macht es sich Zuhause auf dem Balkon oder vor dem Fernseher damit gemütlich. Ausflüge werden nach Kosten und nicht unbedingt nach Interesse geplant und wenn man sich wirklich mal was leisten möchte, bezahlt man mit dem gesparten Geld (sofern man überhaupt zum sparen kommt) dann doch lieber das Inkassobüro oder den Gerichtsvollzieher, der eh nichts aus der Wohnung pfänden könnte. Und dabei wird immer versucht zumindest den Schein von "Es geht mir trotzdem gut" aufrecht zu erhalten, denn wenn diese kleine Maske irgendwann mal bröckelt und derjenige die Sinnlosigkeit und Freudlosigkeit in seinem Leben erkennt, sind die Depressionen die sich still im Hintergrund aufgehalten haben auf einmal die Stars in der Arena und setzen so manchem Leben ein frühzeitiges Ende.

Die Armut nimmt in allen Bereichen des Lebens zu. Es sind immer mehr betroffen. Und irgendwann werden die meisten einfach nicht mehr drüber hinwegsehen können. Sei es weil sie selbst oder Teile ihrer Familie betroffen sind, oder einfach weil man Elend nicht ewig Ignorieren kann. Noch sind wir in Deutschland was Armut betrifft bei weitem nicht auf dem Stand von z. B. den Slums in Venezuela oder Indien. Aber es geht mit vielen Menschen weiter abwärts. Ist nur die Frage ob man es abbremsen kann oder ob es schneller wird.

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