Unterwegs
Noch nie so viele verkaterte Menschen gesehen wie heute auf dem Bahnhof. In der Bahn in Richtung Stadtmitte zwei Pärrchen Mitte fünfzig. Linke und rechte Wange eine Deutschlandfahne, Armbändchen und Winkelemente in Schwarz-Rot-Gold. Sie setzen sich vor mir auf die 4er-Bank und beginnen - natürlich - über Fußball zu reden. Mich erstaunt es immer wieder wieviele Fußballexperten es auf einmal in diesem Land gibt. Egal ob Männlein oder Weiblein, auf einmal werden Spielzüge analysiert, Taktiken "unseres" Trainers nachvollzogen und großzügig korrigiert (also ich hätte ja.....) und noch die kleinsten Details sind ungeheuer wichtig. Zum Beispiel die Frage, ob es für Herrn Kliensmann nach der WM auch so ein Lied geben wird wie für Rudi Völler (Es gibt nur ein Rudi Völler, ein Rudi Völler usw.). Scheinbar sind solche Fragen ungeheuer wichtig, denn das eine Pärrchen beginnt sich auf einmal über den Liedtext zu streiten. Der ganze Streit fängt leise an, wird jedoch schnell lauter und gleitet irgendwann ins persönliche ab. Das andere Pärrchen schweigt betreten und schaut zur Seite. Irgendwann eskaliert die ganze Sache, und die Dame beschließt ihrerseits die Sitzbank zu wechseln. Der einzige Kommentar ihres Mannes dazu: "Ja, geh du nur auf die Reservebank". Wir sind Fußball?
Früher hatte ich Angst vor Hunden. Man könnte es auch als Panik beschreiben. Wenn ich auf 100 Meter einen Hund gesehen habe, egal ob angeleint oder nicht, habe ich die Straßenseite gewechselt oder, falls das nicht möglich war, bin umgedreht und habe einen anderen Weg genommen. Ok, bei ganz kleinen Hunden (unter Kniehöhe) hab ich mich manchmal vorsichtig vorbeigedrückt, aber auch nur mit viel Willenskraft und weichen Knien.
Als ich 9 oder 10 Jahre alt war, war ich in einem Ruderverein. Dort sind wir jeden Tag vor dem Rudern zum Aufwärmen 2-3 km gerannt. An einem dieser Tage kam unserer Gruppe eine junge Frau mit 3 Hunden entgegen. Zwei der Hunde waren angeleint, der dritte jedoch lief frei herum. Und er schien irgendwas gegen Jogger zu haben. Ich lief ein Stück hinter der Gruppe (kurze Beine) und irgendwie schien das in dem Hund den Schäferinstinkt zu wecken und er wollte mich wohl als das verlorene Schaf wieder zur Herde zurücktreiben. Auf jeden Fall ging er auf mich los und biss mich in den linken Oberschenkel. Ok, mit etwas Abstand gesehen zwickte er mich eher, die Wunde hat nur wenig geblutet und bis auf einen Arztbesuch zur Kontrolle gegen Tollwut und einem verletzen Ego ist auch nit viel mehr passiert, aber das ganze Geschehen war damals wirklich ein Schock für mich und prägte mich über viele Jahre in denen ich Hunden auf jede erdenkliche Weise aus dem Weg ging.
Die ganze Geschichte fiel mir heute Morgen wieder ein, als ich auf dem Weg zur Arbeit mal wieder einen schwarzen Hund erblickte, der scheinbar jeden Morgen alleine Gassi läuft. Weit und breit kein Herrchen oder Frauchen zu sehen. Er trägt jedoch ein Halsband und läuft wohl immer die selbe Strecke. Meistens ist er auf der anderen Straßenseite und ignoriert mich sowie ich ihn. Heute war er jedoch auf meiner Seite, und als wir auf gleicher Höhe waren blieb er kurz stehen, schaute hoch und stupste mich am Bein an. Ich wünschte ihm auch einen guten Morgen und wir liefen beide weiter. Man kennt sich halt.
Man kommt aus der Haustür und kommt sich vor, als würde man gegen eine Wand aus Hitze laufen. Wenn man die Straße runterschaut flimmert die Luft über dem Asphalt und die Sonne brennt runter als würde sie aus Berlin eine zweite Sahara machen wollen. Ich schwitze schon nach 10 Metern laufen und das sehr leckere Mittagessen liegt mir, dank Sonne und mehr als 30°C im Schatten, doch etwas schwer im Magen. Also ist heute langsam bewegen angesagt. Am besten sogar garnit bewegen. Irgendwo ein schattiges Plätzchen suchen, am besten mit Wasseranschluss in irgendeiner Form und dann faullenzen.
Dann durfte ich mir heute schon mindestens 3 mal anhören wie toll doch die Deutsche Fußballmannschaft gespielt hat. Freut mich wirklich. Kenne auch die Ergebnisse, nur gesehen hab ich das Spiel wie immer nit. Ich würde mich freuen wenn die Deutschen ins Finale kommen, nur wenn das nit der Fall ist werd ich sicher nicht in Tränen ausbrechen. Komisch nur, wenn einem selbst die Oma erzählt wie toll das doch alles war gestern, gegen die Schweden, mit Klassefußball.
Berlin ist die einzige Stadt die ich kenne, wo selbst die Punks den Müll den sie verursachen aufräumen. Gerade wieder Bahnhof Ostkreuz erlebt. Eine Gruppe von Punkern geht die Treppe runter, und einem fällt eine leere Bierflasche auf die Stufen. Sofort sind alle Jungs und Mädels aus der Punker-Gruppe dabei die Scherben aufzusammeln und in die nächste Mülltonne zu bringen. Sowas hab ich bisher nur hier erlebt.
Nach einer kurzen und unruhigen Nacht wanke ich so in Richtung Arbeit, als ich auf dem kleinen Weg den ich immer laufen muss an dem großen Garten mit den vielen Plastikplanen vorbeikomme. Man stelle sich eine Gartenfläche von ungefähr einem Viertel eines Fußballplatzes vor, auf dem kleine Beete abgegrenzt sind. Über vielen dieser Beete sind Plastikplanen zu einer Art Gewächshaus ausgebreitet und befestigt. Das ganze schaut sehr interessant aus. Heute Morgen klang nun aus der Richtung dieses Gartens ein helles Frauenlachen (um 6.30 Uhr Morgens) gefolgt von einem Männerlachen. Als ich näher komme, sehe ich ein altes Ehepaar das in diesem Garten steht, sich gegenseitig abkitzelt und wo beide jeweils einen Korb in der Hand halten. Der alte Mann hat schlohweißes Haar, einen ausgewaschenen lila Schlafrock (heute nennt man das Nachthemd) an und ist barfuß. Die alte Dame steht in Stoffhosen und kariertem Hemd da. Beide sind gerade am Erdbeeren pflücken und ihr Lachen und ihre Gesichter zeigt mir, dass sie glücklicher nicht sein könnten. Meine Laune steigt sprunghaft von "Ich will in mein Bett" auf "Klasse die alten Leutchen" und ich erkenne mal wieder worauf es bei Beziehungen und im Leben ankommt...jemanden finden, mit dem man zusammen Alt und Glücklich werden kann. Nun sitze ich hier, pfeife leise vor mich hin, ignoriere das Papiermonster das hier wild umherhüpft und versucht mich in die Waden zu beissen und lasse den Tag auf mich zukommen. Guten Morgen da draussen, und einen schönen Start in die neue Woche für euch.
Gerade erst zurück vom Möbel schleppen. Habe letzte Woche unserer Azubine versprochen das ich ihr helfe Möbel von nem Freund ihrer Mom abzuholen. Also beim Chef nach nem Auto gefragt, und heute ging es los. Gesagt war ein Schrank in Einzelteilen. Nunja, aus dem Schrank wurden Teile für ein Bett, drei Regalteile und ein großer Kleiderschrank mit Spiegeltür sowie ein kleiner Fernsehtisch. Alles ins Auto gestopft und bei dickstem Berliner Verkehr quer durch die City gefahren. Anschließend noch den Wagen zur Arbeit zurück gebracht und dann nach Hause. Nun brauch ich ne Dusche, nen Halswickel und mein Bett...Gute Nacht da draussen.
Irgendwie muss man es mir wohl doch ansehen das es mir gerade nit wirklich gut geht. Zu den Halsschmerzen kommen nu noch Kopfschmerzen, die ich gerade durch Zufuhr von Drogen auf chemischer Basis (Aspirin) bekämpfe. Die Chefsekretärin meint ich soll doch bitte einfach nach Hause gehen und mich ins Bett legen, und ich glaube das werde ich jetzt auch tun. Wünsche noch einen angenehmen Tag da draussen.
Im Hintergrund läuft das neue Album der Red Hot Chillipeppers, ich liege auf der Couch, lese meine Computerzeitschrift, mache mir gedankliche Notizen welche Spiele ich unbedingt haben muss und geniesse die kühle Luft die mir durch das geöffnete Fenster den warmen Tag verschönert. Ich bin zufrieden, satt (danke Oma) und glücklich.
In der Bahn sitzt mir ein russisches Mädchen gegenüber. Ich glaube zumindest das sie Russin ist. Sie hat diese typischen Gesichtszüge die einen osteuropäischen Einschlag vermuten lassen. Neben ihr sitzt eine ältere Frau, mit ähnlichen Gesichtszügen. Links von mir höre ich von drei Mädchen eine Sprache die mir schwach vertraut vorkommt. Sie sprechen sie laut und schnell, lachen viel und stupsen sich immer wieder gegenseitig an. Ab und an fällt ein Wort das ich fast einordnen kann. Der Belgienaufkleber auf einem der Rucksäcke zeigt mir woher sie kommen. Die Gruppe Schweizer rechts im Gang ist auch gut aufgelegt. Sie lachen, einer von ihnen flirtet mit den Augen mit einem der belgischen Mädchen. Ich mag Schweizerdeutsch. Sie sprechen es laut und viel. Der Typ neben mir schaut die ganze Zeit zu der Russin rüber. Die alte Frau daneben starrt ihn böse an und legt in Beschützerinstinkt den Arm um ihre Schulter. Die Russin streicht die Hand weg und fängt an mit der alten Frau zu diskutieren. Sie spricht perfektes Deutsch. Die Oma antwortet in Russisch. Die Räder rattern im Takt einer unbekannten Hintergrundmusik mit. Ich beginne mich wohl zu fühlen. Es ist überall das gleiche Spiel. Nur die Sprache und die Hintergrundmusik ist manchmal etwas anders.
Gestern auf dem Karneval der Kulturen gewesen. Das Wetter war die meiste Zeit recht angenehm, wenn auch nicht wirklich sommerlich. Insgesamt waren 98 Wagen unterwegs, von denen ich mehr als die Hälfte gesehen habe. Laut Berichten waren ca. 800.000 Menschen auf den Beinen, aber das ganze wirkte nur streckenweise überfüllt. Wunderbare Musik, viele Trommelgruppen und bunte Kostüme und auch der eine oder andere Wagen von kleinen Gruppen (z. B. ein Wagen der Sorbische Musik und Trachten zeigte) waren da. Wie jedes Jahr wieder ein schönes Spektakel.
Noch einen Bericht und ein paar Bilder gibt es auch bei
ihr.